Schachlektionen
(Aus der Geschichtensammlung "Jus Primae Noctis et Castigatio")
„Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich in deinem jungen Alter beim Götz von Schauernburg gelernt habe, wo mein Platz im Leben sein wird, was man von mir erwartete, und was einen Ritter ausmacht. Das war genauso beschwerlich wie heute für dich, und wie für alle jungen Knappen vor dir. Auch wenn es manchmal eine harte Zeit war, haben wir es doch alle am Ende bewerkstelligt bekommen“.
Ritter Walther von Klingen sprach ruhig und in besonnenem Ton mit Thilmann von Steinach, dem Sohn des Gerhard von Steinach, der zur Ausbildung auf seiner Burg weilte. So war es der Brauch, und so hatte er es selbst vor langer Zeit durchlebt.
Thilmann hatte in den ersten Wochen seines Aufenthalts auf der Burg Hohenklingen sichtlich unter Heimweh zu leiden. Dies war nicht ungewöhnlich für einen jungen Knaben, der zum ersten Mal die heimatliche Burg in Steinach am Neckar verlassen musste. Aber es war besser so, dass die jungen Kerle das Leben und ihr zukünftiges Handwerk der Herrschaft über ihre unfreien Bauern außerhalb ihrer angestammten Umgebung lernten. Das Leben war hart, und familiäre Nachsicht nicht angebracht in einer Welt, in der es sich gegen vielfältige Missgunst und Neid durchzusetzen galt.
Seinen eigenen Sohn hatte Walther von Klingen bereits vor etlichen Jahren an den fernen Neckar entsandt, von wo er nach einigen Jahren gestählt zurückgekehrt war, und nun im Dienst des Markgraf Friedrich stand.
Daher nahm Walther von Klingen seine Aufgabe sehr ernst den jungen Thilmann mit allen Facetten des Lebens vertraut zu machen, und lud ihn regelmäßig zu sich am Abend zum Schachspiel und Belehrungen ein.
Aleidis, das Weib an Walthers Seite, seit seine Frau Melisande vor einigen Jahren das Zeitliche gesegnet hatte, hatte ebenfalls ein Auge auf Thilmann, und hatte Walther vor einigen Tagen ihre Beobachtung mitgeteilt, dass der junge Knappe wohl in einer der Nächte zu Mann geworden war, was ihr an seinem Bettlaken aufgefallen war.
Also fand Walther von Klingen es an der Zeit ein vertrauliches Gespräch von Mann zu Mann mit dem jungen Kerl zu führen. Den noch weilte ja auch seine eigene Tochter Nella auf der Burg und Walther wusste, welche Macht die jungen Triebe entfalten konnten. Da galt es die Jungfräulichkeit von Nella zu schützen, und Thilmann rechtzeitig seinen Platz im Spiel von Lust und Liebe anzuweisen.
An diesem Abend war Thilmann beim Schachspiel unkonzentriert gewesen, und schnell hatte Walther ihn in die Ecke getrieben, seine Dame geschlagen und kurz darauf den König schachmatt gesetzt.
Ein guter Ausgangspunkt für seine heutige Belehrung:
„Eine wichtige Lehre habe ich heute für dich, Thilmann. Ich habe dich besiegt, weil du zu wenig auf deine Dame geachtet hast, und ich sie dadurch schlagen konnte. So ist es oft auch im Leben. Ein Ritter muss immer ein Auge auf die Damen haben, denn das Weibsvolk ist durchaus wichtig für das Wohlergehen eines Mannes. Dabei gilt es immer zu wissen, wo sie stehen, und welchen Einfluss sie auf ihre Umgebung ausüben.
Denk nur an Nella, die dir letzten Monat diesen bösen Streich gespielt hat, bei dem sie den Jungen des Schmieds und den des Kochs auf dich gehetzt hat, die dich verprügelt haben. Manchmal sind die Weiber so. Doch kannst du nicht immer mit gleicher Münze zurückzahlen. Wie der König beim Schach, so musst auch du die Vergeltung oft anderen überlassen.
Im Fall von Nella ließ ich Aleidis die Bestrafung von Nella ausführen, so wie heute mein Läufer deine Dame geschlagen hat. Ich habe dich bewusst bei ihrer Bestrafung zuschauen lassen, und sehr wohl habe ich die Genugtuung und Lust in deinen Augen gesehen, wie der Riemen von Aleidis Nellas Hinterquartier gestriemt hat, und sie auf diese Weise für ihre Missetat hat büßen lassen“.
Tatsächlich fanden Bestrafungen Nellas üblicherweise nur in der Kammer von Aleidis statt, doch in diesem Fall, wo Thilmann selbst der Geschädigte war, hatte es Walther von Klingen für notwendig befunden, seine Tochter durch die Anwesenheit des jungen Knappen zu beschämen, und ihr dadurch die Schädlichkeit ihrer Tat vor Augen zu führen. Darüber hinaus hatte Walther, der sich der wachsenden Reife seines Schützlings bewusst geworden war, beobachten wollen, wie die Züchtigung Nellas auf diesen wirken würde.
Er fuhr fort: „Eigentlich hätte Nella es ja wissen müssen, dass die Burschen schon nach der Androhung der Peitsche geständig sein, und sie als die Anstifterin verraten würden. Doch lerne Thilmann, dass die Weiber manchmal die Folgen ihres Tuns nicht völlig überdenken.
Thilmann fühlte sich ertappt, und war rot geworden, was Walther selbst im flackernden Schein der Kerzen erkennen konnte.
„Keine Angst, es ist ganz natürlich, dass du einen Kitzel verspürt hast, als Nella von Aleidis bestraft wurde. Der Anblick des nackten Arsches eines Weibes hat noch jeden richtigen Mann in Wallungen versetzt. Und dass es eine Lust ist, ein Weib auf denselben zu schlagen, die Rötung ihrer Haut zu beobachten, und die aufkommende Hitze ihres Schoßes zu ahnen, soll dich nicht verwirren - es geht uns Männern allen so.
Und auch, dass es sich des Nachts zwischen deinen Beinen regt und streckt ist ganz Natur. Lass dir in dieser Sache von den Pfaffen nur nichts einreden, die von Sünde reden. Es ist die Kraft deiner Lenden, die ganz natürlich danach strebt sich mit dem Weibe zu vereinen. Doch lass dir gesagt sein, dass nicht jede Pforte jedes Weibes dir offensteht. Erst nach der Hochzeit darfst du ihr Eingangstor durchschreiten, und von allen Weibern die standesmäßig über dir stehen, lass die Finger. So auch von Nella - sonst würde es dir schlecht bekommen.
Doch selbst die Bauerndirnen musst du achten, denn auch die Unfreien haben eine Würde, die du nicht mutwillig zerstören sollst, da am Ende sie es sind, die dich ernähren müssen. Auch der unfreie Bräutigam soll seine Freude daran haben durch eine unberührte Hochzeitspforte zu schreiten.
Nun wirst du allerdings in der Welt allerorten sehen, und auch am eigenen Leib erfahren, wie mächtig die Triebe wirken. Und was dir hier die Pfaffen raten - Enthaltsamkeit und Einkehr im Gebet - taugt noch nicht einmal ihnen selbst. Verlogen sind sie allesamt!“
Ritter Walther machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen und las in Thilmanns fragendem Gesicht, das diesen nun viele Gedanken bewegten.
„Du magst mich nun fragen, was du tun sollst, wenn dich die Triebe locken und du doch die Ehre der Jungfrau nicht anrühren sollst?
Nun, erinnere dich der Taktik wie beim Schach: wenn dir der Frontalangriff verwehrt, so kannst du geschickt den Turm ins Hinterland der Königin schicken. Fessle ihre Aufmerksamkeit an anderen Orten, und dringe durch ihre hintere Pforte ein - du wirst erstaunt sein, wie freudig du dort empfangen wirst, hast du den anfänglichen Widerstand erst überwunden“.
Wieder machte Walther von Klingen eine Pause um seine Worte wirken zu lassen, und wieder fand er einen unsicheren fragenden Blick in Thilmanns jungen Augen.
Doch fasste sich dieser ein Herz und fragte nun: „Doch sagt mir Ritter Walther, wenn doch Gott das Reich von Sodom ob deren Sünden vernichtet hat, so wie es Pater Anselmus predigt …“, Thilmann zögerte, denn er wusste nicht, wie er es richtig ausdrücken sollte, dass ihm weltliche und kirchliche Macht hier einander sich widersprechende Botschaften mitteilten.
Walther befreite Thilmann von seiner sprachlosen Verlegenheit in dem er fortfuhr: „Ja, es mag verwirrend für dich sein. Denn die Pfaffen reden so, und die Welt handelt oft anders. Und auch die Patres selbst genügen meist nicht ihren weihevollen Worten und Ansprüchen, die sie an andere stellen. Nicht umsonst haben sie die Beichte und die Vergebung erfunden, denn auch ihresgleichen kannst du zu Konstanz in den Herbergen der Hübschlerinnen aus dem Bette holen, auch wenn sie in der Messe noch so oft gegen jene hetzen. Deren gelbe Schleifen locken allzumal noch mehr, als manch voller Arsch den ihre Haushälterinnen durch die Sakristei schieben. Sie reden dann Latein - ´ad maiora mala vitanda´*** – um ihre eigenen Trieb zu verbergen, doch nicht anders ergeht es ihnen als jedem wackeren Kerl.
(***´ad maiora mala vitanda´: um größeres Übel zu verhindern)
Ritter Walther griff nach seinem Becher und nahm einen tiefen Schluck des sauren Weins vom Haltnauer Strand, den Aleidis selbst ihm an diesem Abend gewürzt hatte, sodass er halbwegs genießbar war. Dann fuhr er fort:
„Erinnere dich, an die Lektion des Rechts, die wir vor zwei Monden besprochen haben: auch dort sind wir Edelleute im rechtschaffenen Streit mit dem Kloster Reichenau. Altehrwürdiges Recht, von unseren Vorvätern geerbt wollen sie uns stets abschneiden. Weißt du es noch?“, wandte sich Walther an Thilmann, der eilfertig antwortete: „Ihr meint das ´jus primae noctis´“.
„Ihr habt gut zugehört und seid ein fleißiger Schüler, Thilmann. Und wie ich euch erläutert habe gilt dies Gesetz noch immer hier im Hegau, auch wenn Pater Anselmus und Abt Albrecht von der Reichenau dem widersprechen. Doch auch hier gilt, was ich dir zuvor schon gesagt, dass wir Herren auch unsere Unfreien nicht über Gebühr beschämen wollen. Auch bei unseren Vorvätern war es schon Sitte, dass die Maiden jungfräulich in die Ehe gehen, zumindest was deren hohe Pforte betrifft.
Doch wirst du kaum eine finden, die wenn sie schon zum Weib geworden und sich ihrer Reize bewusst den Burschen gar vorwitzige Blicke zugeworfen haben, nicht auf andere Weise mit diesen Verkehr zu pflegen fand.
Aus diesem Grund haben schon unsere Väter das Recht in vielfältiger Weise anzuwenden gewusst: jene, welche die Pfaffen mit ihren Höllenqualen eingeschüchtert haben, wählen so den Heiratszins, bei dem sogar der Abt zufrieden ist. Denn wenn das Gold in seinem Beutel klingt, so hat auch seine liebe Seele ihre Ruhe.
Doch wirst du feststellen, dass den Bauern oft der Zins zu hoch, und sie bessere Verwendung für die klingende Münze sehen. So werden sie dir ihre Weiber schicken“.
Wieder gab Walther von Klingen seinem Schützling Zeit die Worte in sich aufzunehmen, und labte sich ein weiteres Mal an seinem Wein. In seinen Gedanken kehrt er kurz zu jener Zeit zurück, als es an ihm zum ersten Mal gewesen war den Heiratszins zu fordern, und stattdessen am Abend ein dralles Weib in seinem Bett gelegen hatte. Jung wie er damals gewesen war, hatte er der Verlockung nicht widerstanden, und erinnerte sich immer wieder gerne daran, wie lebhaft dieses Weib seine Stöße pariert und ihre eigene Lust genossen hatte.
Dann fuhr Walther mit seiner Rede fort:
„Wenn sie nun den Zins nicht zahlen wollen, so hast du wie im Schach verschiedene Möglichkeiten: Wenn dir die Jungfer gefällt, dann lade sie zum Jungfernmahl. Ist sie allein mit dir, wirst du in ihrem Gesicht schnell finden ob sie gar störrisch oder willig ist. Bei einer Störrischen rate ich dir zum ´ius primae castigatio´, denn auch wenn du sie zwingst, würdest du kaum Freude haben. Gleiches gilt für eine Hässliche, und es ist besser mit der Rute ihren Arsch zu röten als eine Qual im Bett zu leiden. Immerhin hat auf diese Weise die Jungfer schon einen Vorgeschmack darauf, wenn sie später ihrem Gatten kein Weib sein will. Die Bauern haben durchaus Methoden ihre Weiber willig zu halten.
Oft wird die Braut nach dem Mahl jedoch durchaus geneigt sein den Abend auf angenehmere Weise zu einem Ende zu bringen. Hilfreich ist hierbei stets ausreichend gute Speisen auf den Tisch bringen und es auch an Wein nicht fehlen zu lassen. Die jungen Weiber freuen sich an gutem Essen und die Wirkungen des Weins sind selten sie gewohnt. Und auch die Neugier auf ein weiches Federbett, dass angenehmer doch als raschelndes Stroh in ihren kargen Kammern, lässt so manche ihre Treueschwüre vergessen.
Immerhin bist du ein stattlicher Ritter, und in ihrem Leben wird sie keine edlere Lanze mehr in sich spüren, als die deine. Gerade die klügeren unter den Weibern wissen früh, dass der grobe Bauernspieß sie lange genug noch begleiten wird.
Also sei Klug und dränge sie nicht, so wirst du einen schönen Abend haben“.
Über diese Worte war es spät geworden und Walther von Klingen bemerkte, dass es Zeit wurde die Lektion für heute zu beenden. Doch einen weiteren Rat wollte er Thilmann noch mitgeben: „Wundere dich nicht, wenn des Abends vor der Hochzeit mit der jungfräulichen Maid auch deren Mutter an die Burgpforte klopft und sie dir anbietet den Zins auf ihre Weise zu zahlen. Wie beim Schach will sie sich als Bauer opfern für eine andere Figur.
Es ist an dir dann zu entscheiden, ob du erneut das ´ius primae castigatio´ bemühst, und nun die Rute auf dem Hintern der Mume tanzen lässt. Doch wisse, auch ein reifes Weib kann seine Reize haben, und auf ihre Jungfernschaft ist hier nun keine Rücksicht mehr zu nehmen.
Doch handle mmsichtig wenn du diesen Weg wählst und schicke die Braut in eine andere Kammer, während du mit der Mume dein Recht wahrnimmst. Niemand muss davon erfahren, ob du Rute oder Lanze gewählt hast, denn wenn die Pfaffen davon Wind bekommen, könnten sie sonst versucht seien die Mume an den Frauenpfahl zu Konstanz zu bringen.
Und wenn du gar keine Lust verspürst dich mit den Weibern abzugeben, so lass sie sich in einer Kammer in ein Bett legen, und stelle deinen Fuß hinein. Dann geh und lass sie alleine darüber nachdenken, warum du sie nicht weiter Wert befunden hast. Auch mit diesem Symbol hast du dein Recht wahrgenommen. Doch verzichte niemals auf dein Recht, mein Sohn! Denn so ists der alten Väter Sitte und Brauch und wenn wir anfangen wegen der Pfaffen das Gesetz der Ritter aufzugeben, so geben wir uns selbst auf.
Du siehst, das Leben hält, wie das Schachspiel, viele Wege für dich bereit. Drum bedenke wohl und wähle gut“.
Damit leerte Walther von Klingen seinen Becher und schickte den Knappen Thilmann von Steinach in seine Kammer. Dieser hatte noch eine Weile über die Lektion des Ritter Walther nachzudenken, bis ihn der Schlaf übermannte.
Libertineros 2023
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